Talion

Unter Talion, alternativ ius talionis oder Talionsprinzip, versteht man eine Rechtsfigur, nach der zwischen dem Schaden, der einem Opfer zugefügt wurde, und dem Schaden, der dem Täter zugefügt werden soll, ein Gleichgewicht angestrebt wird. Der Ausdruck ius talionis setzt sich zusammen aus lateinisch ius ‚Recht‘ und lateinisch talio ,Vergeltung‘ im Sinne eines Ausgleichs.[1] Der vorantike, altorientalische Ausdruck „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ ist davon ein Spezialfall, in dem dieses Gleichgewicht nach einer Körperverletzung durch Zufügen eines gleichartigen Schadens hergestellt werden soll („wie du mir, so ich dir“). Davon ist die Spiegelstrafe zu unterscheiden, die eine Anknüpfung an Organe, mit denen die Tat begangen wurde, vornimmt, z. B. das Abhauen der Diebeshand.

Die Talion ist ein Unterfall der Vergeltung, die auch solche Schädigungen eines Täters umfasst, die über die Talion hinausgehen, und ist zur Zeit der Privatstrafe, bei der die Bestrafung des Täters dem Opfer zugesprochen wurde, vom Schadensersatz kaum zu unterscheiden. Der hebräisch-biblische Kontext, in dem die Formel „Auge für Auge“ auftritt, und die jüdische Tradition widersprechen der Auslegung als Talionsprinzip. Es wird kein Fall einer körperlichen Talion in der Bibel berichtet, noch lag die altorientalische Talion in der Absicht der hebräischen Bestimmungen und Rechtssätze. Die rabbinische Tradition lehrte seit jeher, dass es sich vielmehr um einen finanziellen Ausgleich handelt, der sich nach der Höhe des Schadens richtet (absteigend: Brandmal > Wunde > Beule).[2]

  1. Duden | Talion | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft. Abgerufen am 11. April 2018.
  2. „(…) wurden im Mittelalter in vielen europäischen Ländern grausame gerichtliche Vergeltungsbräuche eingeführt, und man nahm an, dass sie (…) biblischen Bestimmungen entsprachen. Doch in Wirklichkeit wird weder irgendein Fall einer körperlichen Talion in der Bibel berichtet, noch war eine solche Talion die Absicht des biblischen Gesetzes, wie wir heute aufgrund der Kenntnis älterer altorientalischer Gesetzeskodizes wissen (…) Die rabbinische Behauptung, hier gehe es um einen finanziellen Ausgleich, nicht um buchstäbliche körperliche Talion, war daher (…) korrekt.“ zitiert nach: W. Gunther Plaut (Hrsg.), Annette Böckler (Autoris. Übers. u. Bearb.), Walter Homolka(Einf.): Schemot = Shemot = Exodus., 2. Aufl., 1. Aufl. der Sonderausg., Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2008, ISBN 978-3-579-05493-3, S. 243 ff.

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